Ich würde die Thematik an dieser Stelle gerne etwas allgemeiner aufgreifen und zu verdeutlichen versuchen, worum es uns bei der Kritik an dem Verlagspreis geht.
Es ist ja zunächst nichts dagegen einzuwenden, dass ein solcher Preis existiert. Er orientiert sich an der Praxis anderer Bundesländer, die in den letzten Jahren Verlagspreise eingeführt haben – und klar, das muss sein, Berlin toppt sie. So weit, so gut. Ein mutiger, geschweige denn wirkmächtiger Schritt ist das allerdings nicht. Wir halten das für Symbolpolitik, gut gemeint, erfreulich für die zukünftigen Preisträger*innen, eine schöne Homestory fürs Stadtmarketing.
Wir vom NFLB oder breiter gefasst von der Koalition der Freien Szene haben ein anderes Verständnis von Kulturpolitik und von der aktiven, partizipativen und zivilgesellschaftlichen Einbindung einer diversen Akteursstruktur.
Wir denken Förderstrukturen von der Basis her, von den Akteur*innen und ihren konkreten Bedarfen, um ihre Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern.
Deswegen gibt es ein in der Freien Szene komplexes Geflecht an Verbänden, Interessensgruppen, Arbeitsgruppen, Fördersummits, Plenen, Arbeitsgruppen in denen spartenspezifisch und –übergreifend versucht wird, zu einem gemeinsamen Verständnis über bedarfsgerechte Förderinstrumente zu kommen.
Das ist sicherlich ein mühsamer, anstrengender Prozess, aber wir sind der Überzeugung, dass es nur so funktioniert. Und in dem Zusammenhang haben wir beispielsweise auch eine AG Bibliodiversität gegründet, die übergreifend und diversitätssensibel nach Förderinstrumenten sucht.
Der Verlagspreis ist aus unserer Sicht ein gutes Beispiel dafür, wie Kulturpolitik nicht mehr oder nicht ausschließlich betrieben werden sollte. Top-down getrieben über ein Closed-Shop-Verfahren, wo sich ein ausgewählter Kreis von Zugelassenen (mit den durchaus besten Absichten) einen Preis ausdenken. Das ist nach unserem Verständnis nicht oder nur bedingt von der Basis aus gedacht: von einer diversen Akteursstruktur und ihren spezifischen Bedarfen.
Der Preis deckt eine Facette ab, er „leuchturmisiert“ quasi den Förderungsbedarf von Independent-Verlagen, verschafft ihm eine würdigende Sichtbarkeit. Und gleichzeitig, so unser Eindruck, differenziert er die Independent-Szene, indem er beispielsweise innovative Vertriebs-, Marketing- und Digitalisierungsmodelle in den Kriterienkatalog aufnimmt und damit Verlage, die damit nichts am Hut haben, ausgrenzt. Letztlich fokussiert sich der Preis, so könnte man fasst mutmaßen, auf den „Mittelstand“ der Independent-Verlagsszene. Der untere Rest wird ausgeblendet.
Der entscheidende Punkt ist folgender: Durch den Verlagspreis wird die Situation von Akteur*innen der Bibliodiversität strukturell keinen Deut besser. Es ist mehr oder weniger eine Sichtbarkeitskampagne.
Das Problem in Berlin ist doch, dass Literatur im Fördertableau das Schlusslicht bildet und strukturell deutlich benachteiligt ist. Die Fördersummen für Autor*innen und Akteur*innen der freien Literaturszene sind im Vergleich zu anderen Sparten, im Vergleich zu den enormen Summen, die im Kulturhaushalt flottieren – ein Witz.
Unser Ansatz ist, dass wir Kulturförderung breiter aufstellen wollen. Wir wollen Basisförderungen für die gesamte literarische Akteursstruktur (inkl. Verlage und Literaturmagazine).
Wir wollen eine nachhaltige Förderstruktur, die bei Akteur*innen ansetzt, die es ihnen ermöglicht auch mal langfristiger zu planen. Dafür gilt es Förderinstrumente zu schaffen, an denen möglichst viele partizipieren können, dafür muss auch deutlich mehr Geld in die Hand genommen werden als die besagten 65.000 €. Geld, das aber grundsätzlich nach der derzeitgen Haushaltslage da ist.
Wie gesagt, das beißt sich nicht mit dem vorliegenden Verlagspreis und kann sich sogar idealerweise gut ergänzen.
Der Impetus unserer Kritik war auch eher, dass es mit diesem Verlagspreis nicht getan ist. Dass dieser Preis erst ein Anfang sein kann, und dass in diesem Preis ein Rahmen gesetzt wird, der priorisiert und partiell ausgrenzt.