Das Netzwerk freie Literaturszene Berlin e.V. hat seine „Forderungen für eine nachhaltige, diverse und gerechte Literaturförderung in Berlin“ vorgelegt. Diese wurden von den Mitgliedern coronabedingt in einem digitalen Prozess zusammengetragen und beschlossen. Die Forderungen beziehen sich nicht nur auf den bevorstehenden Doppelhaushalt, über den ab dem Herbst politisch verhandelt wird, sondern entwerfen auch perspektivische Konzepte, wie Literaturförderung strukturell ergänzt werden könnte. Dazu zählt das fünfjährige „Tandem-Stipendium“ für Autor*innen und Übersetzer*innen.
Besonders engagiert wurde über die Themen Altersarmut und soziale Absicherung diskutiert. Um Autor*innen und Übersetzer*innen eine längerfristige finanzielle Absicherung zu bieten, als dies bei den meisten Stipendien bislang der Fall ist, wurde das „Tandem-Stipendium“ konzipiert: Dabei erhalten etablierte Autor*innen und Literaturübersetzer*innen eine Festanstellung im literaturnahen Bereich, etwa in Literaturhäusern, Medien, Universitäten oder im Deutschunterricht an den Schulen. 50 Prozent der Arbeitszeit werden zum Schreiben freigestellt. „Vorbild für das Konzept waren eigentlich die bei der Bundeswehr angestellten sogenannten Sportsoldaten“, erläutert Moritz Malsch, Vorstandsvorsitzender des NFLB. „Was in der Spitzensportförderung möglich ist, sollte doch in der Literaturförderung auch zu machen sein?“ Eine Festanstellung adressiert zudem das Problem der Altersarmut: Da Stipendien nicht als Erwerbseinkommen gelten, werden auf sie auch keine Rentenbeiträge gezahlt. Autor*innen, die besonders viele Preise und Stipendien erhalten, bekommen so später paradoxerweise eine besonders niedrige Rente. Kulturstaatssekretär Thorsten Wöhlert zeigte sich bei einer Diskussion im Rahmen des Branchentreffs Literatur bereits offen für das Konzept und verwies auf einen zusätzlichen Planstellenbedarf allein der öffentlichen Bibliotheken von 300 Vollzeit-Stellen.
Ein wichtiger Fortschritt kündigt sich im Bereich der Übersetzer*innenförderung an, die in den NFLB-Forderungen an erster Stelle steht: „Wir freuen uns sehr, dass im Haushaltsentwurf der Kulturverwaltung erstmals Arbeitsstipendien für Übersetzer*innen vorgesehen sind, wie wir sie seit Jahren fordern“, so Delphine de Stoutz aus dem NFLB-Vorstand. „Aber die vorgesehenen Summen stellen für die zahllosen Übersetzer*innen der Stadt eher einen Tropfen auf den heißen Stein dar und führen weiterhin zu einer Ungleichbehandlung von Autor*innen und Übersetzer*innen.“
Weitere wichtige Punkte aus dem Forderungskatalog neben dem Bereich Stipendien sind u.a. der Abbau von Zugangsbarrieren aller Art sowie eine kleinteilige Basisförderung für die über 100 Lesebühnen und Lesereihen der Stadt, analog zur Basis- und Konzeptförderung in der Darstellenden Kunst. Angesichts der hohen Sonderausgaben aufgrund der Corona-Pandemie ist zu befürchten, dass sich hier im kommenden Haushalt wenig bis nichts bewegt. Dabei besteht nach wie vor eine strukturelle Unterförderung im Literaturbereich: Berlin gibt für seine freie Literaturszene momentan nicht einmal einen Euro pro Einwohner aus.
Den ausführlichen Forderungskatalog finden Sie hier:
Medien-Anfragen bitte an vorstand@nflb.de.